Bauingenieur Dr. Gerhard Stenzel aus Maisach, der im Auftrag der Stadt Ribnitz-Damgarten die Bauwerksprüfung der fünf historischen Flugzeughallen in Pütnitz durchführt, erläuterte beim Werkstattgespräch am 11.10.2025 vor Ort die besonderen Konstruktionsmerkmale der heute vom Technik-Museum genutzten Hallen.
Dr. Gerhard Stenzel, beratender Bauingenieur und Sachverständiger.
Sorgfältig dokumentierte historische Flugzeughallen aus den 1930er-Jahren. Recherche: Dr. Gerhard Stenzel, ALLVIA.
In der Halle 2 erwartet die Besucherinnen und Besucher eine vielseitige Ausstellung mit zivilen Alltagsfahrzeugen aus dem ehemaligen Ostblock, von weit verbreiteten Klassikern bis hin zu echten Raritäten. Ergänzt wird die Sammlung durch Einsatzfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten sowie Fahrzeuge zu Land, zu Wasser und in der Luft, die das Alltagsbild dieser Zeit entscheidend prägten. Das Foto unten rechts zeigt militärisches Gerät in der Halle 3, darunter Kettenfahrzeuge, Hubschrauber und Flugzeuge.
Zu Beginn wies Dr. Gerhard Stenzel darauf hin, dass es im Dritten Reich zahlreiche geheime Bauprojekte gab, die gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags verstießen. Auch das Bauvorhaben in Pütnitz bei Ribnitz-Damgarten trug Tarnbezeichnungen, offiziell firmierte es unter den Projektnamen „Wassersporthalle“ und „Sporthalle“.
Die Hallen wurden 1935 vollständig vor Ort errichtet, eingerüstet mit Kanthölzern und ohne den Einsatz von Fertigteilen. Alle Betonteile entstanden klassisch in Holzformen gegossen. Etwa 500 Arbeiter wirkten am Bau eines Hangars mit. Das Besondere an dieser Konstruktion ist der beeindruckende Spannbetonbogen mit einer Spannweite von rund 100 Metern. Er wird durch ein durchgehendes Zugband aus hochwertigem ST 52-Stahl zusammengehalten, das in den Bodenwiderlagern verankert ist. Diese Konstruktion bindet das gesamte Bauwerk und fängt insbesondere die seitlichen Kräfte ab. Zusätzliche Stabilität erhält die Halle durch Anbauten, rückwärtige Stützen und die Dachdecke. „Man kann nicht einfach ein Teil herausnehmen, dann knicken die Stützen aus!“
Die Planung und der Bau der Flugzeughallen in Pütnitz waren bereits damals eine ingenieurtechnische Meisterleistung, betonte Dr. Gerhard Stenzel. „Die Statik wurde ausschließlich mit dem Rechenschieber berechnet - ganz ohne Computer oder Taschenrechner. Die grafischen Auswertungen der Differentialgleichungen galten als wertvolles Firmengeheimnis und wurden im Panzerschrank des Chefkonstrukteurs aufbewahrt.“
Die fünf Hallen entstanden innerhalb von rund einem Jahr, ein Tempo, das heute allein für die Planungsphase kaum erreichbar wäre.
Fast 90 Jahre stehen die Hangars nun bereits. „Wenn das Dach dicht ist und sichtbare Schäden behoben werden, hält so eine Konstruktion erstaunlich lange - aber sicher keine tausend Jahre“, so Stenzel augenzwinkernd. In den Gebäuden steckt enorme „graue Energie“, also gespeicherte Bauressourcen und Energie aus der Errichtungszeit. Ein Abriss wäre daher nicht nur ein kultureller, sondern auch ein energetischer Verlust. Stattdessen setzt man heute auf Erhalt und behutsame Entwicklung. So ist jetzt für Halle 1 eine Mustersanierung vorgesehen, um den baulichen Zustand genauer zu bewerten und verlässliche Kosten zu ermitteln. Dazu erklärte Bauamtsleiter Heiko Körner: „Sanieren, entkernen und Investoren ins Boot holen ist sinnvoller als ein Abriss.“ Erste Projektideen für eine ergänzende Nutzung der Flugzeughallen liegen bereits vor, darunter die Einrichtung einer Batteriespeicher- oder Großrechneranlage in Kooperation mit Sponsoren.
Lutz Decker aus Ribnitz fragte: „Hängt die grundsätzliche Sanierungsfähigkeit von dem Ergebnis der Mustersanierung von Hangar 1 ab?“ Das Ziel der Sanierungsfähigkeit der Hallen stehe zunächst im Raume „als erklärte Aufgabe durch den Denkmalschutz“, so Körner. Um diese einzigartigen Bauwerke zu erhalten und teilweise einer neuen Nutzung zuzuführen, ist ein erheblicher finanzieller und organisatorischer Aufwand erforderlich. Nach Einschätzung der Experten richtet sich besonderes Augenmerk auf Halle 3, deren abweichende Tragwerkskonstruktion, insbesondere die Ausformung eines zentralen Trägers, einer gründlichen Prüfung bedarf. Die Kosten für die Mustersanierung von Hangar 1 werden auf rund 300.000 Euro geschätzt.
Roland Hartig, 12.10.2025